Von Augsburg in die weite Welt

(von Daniel Greilich)

Gleich zu Beginn des Schuljahres gab es für alle Klassen der Landgraf-Leuchtenberg-Realschule einen Wandertag. Die Klassen marschierten zum Mühlhammer Keller, nach Obergessenbach oder zur Asambasilika. Für die Klasse 6a wurde es ein besonderer Tag. Klassenleiterin Andrea Bucher hatte für die Wanderung an die Donau einen Überraschungsgast dabei, der die ganze Aufmerksamkeit auf sich zog: schwarzer Zylinder, Wanderstock, graue Hose und Jacket mit vielen großen Perlmuttknöpfen. Das weckte sogleich die Neugier der Schüler. Florian Höck ist Wandergeselle bei den „Freien Vogtländern“, das ist eine Vereinigung von Handwerksgesellen auf Wanderschaft. Voraussetzung für die Wanderschaft eines Handwerkers ist der Gesellenbrief, dass er unverheiratet ist, keine Kinder hat und ein einwandfreies Führungszeugnis vorlegen kann.  Diese Anforderungen kann Florian Höck alle erfüllen. Er absolvierte eine Lehre als Steinmetz, lernte anschließend das Handwerk des Stuckateurs und schloss diese Ausbildung mit der Meisterprüfung ab.

Seit einem Jahr ist er nun auf Wanderschaft durch den deutschsprachigen Raum. In nächster Zeit soll es ins Ausland gehen. Die Schüler wanderten mit ihm über Ruckasing an die Donau. Erster Halt war ein Kiesberg hinter dem Donaudamm. Einige Schüler ließen flache Kieselsteine über das Wasser hüpfen, andere rannten über den Kiesberg oder löcherten Florian Höck mit Fragen wie „Wo ist eigentlich dein Zuhause?“. „Mein Zuhause ist die Welt. Ich habe meine Wohnung aufgelöst, das Auto verkauft. Bei der Abschiedsfeier musste ich das Handy abgeben und am linken Ohr wurde mir mit einem Nagel ein Ohrloch für meinen neuen Ohrring geschlagen,“ antwortete der Wandergeselle den erstaunten Schülern. Alle Wandergesellen erhalten zu Beginn ihrer Reise einen Ohrring als Zeichen der „Walz“, der Wanderschaft, erläuterte Florian Höck.

Nach einer ersten Brotzeit ging es noch ein Stück weiter flussabwärts Richtung Winzerer Brücke zu den Kiesbänken.  Während einige Kinder anfingen, mit Treibholz ein Burgtor nachzubauen, krempelten andere ihre Hosen hoch und wagten sich ins Donauwasser. Auch Wellen konnten sie nicht erschrecken. Immer wieder kamen Schüler auf den Gesellen zu und wollten Weiteres über ihn wissen. Er erklärte ihnen, dass seine Wanderschaft drei Jahre und einen Tag dauert. „Kannst du eigentlich nach Hause gehen, wenn du keine Lust mehr auf die Walz hast?“, fragte ihn ein Schüler. Daraufhin gab Florian Höck folgende Erklärung: „Jeder Geselle verpflichtet sich, die Regeln der Gemeinschaft der „Freien Vogtländer“ einzuhalten. Dazu gehört, dass ich drei Jahre und einen Tag nicht in mein Heimatdorf darf. Ich muss einen Abstand von 50 Kilometern einhalten. Wenn ich zum Beispiel jetzt frühzeitig nach Hause gehen würde, wäre das ein Verstoß gegen die Regeln. In früheren Zeiten haben dann in einem solchen Fall andere Gesellen ihrem Kollegen den Ohrring ausgerissen. Damit war dann für jeden sichtbar, dass er unehrenhaft aus der Gesellschaft entlassen wurde. Daher kommt der Begriff „Schlitzohr“. Ein Schlitzohr ist also jemand, der sich nicht an die Regeln hält.“

Doch die strengen Regeln haben für Florian Höck nichts Abschreckendes. Im Gegenteil: „Es gibt einen großen Zusammenhalt unter den Gesellen. Jeder kann sich auf jeden verlassen“, schwärmte er. Gleichzeitig lernt er viele Länder und andere Menschen kennen. Er erfährt, wie die Handwerkskunst an anderen Orten der Welt ausgeübt wird, lernt eigenständig zu arbeiten und flexibel mit verschiedensten Baumaterialien umzugehen. Durch die Wanderschaft hat er auch sein Gespür für Menschen geschult. Neben der charakteristischen Arbeitskleidung, die der Geselle am Leib trägt, führt er lediglich noch einen Beutel mit Kleidung und einen Schlafsack mit sich. Es kommt auch des Öfteren vor, dass die Gesellen gemeinsam eine Wegstrecke wandern, bevor sich ihre Wege wieder trennen.

„Auf der Wanderschaft habe ich auch genug Zeit, darüber nachzudenken, wie es beruflich und privat weitergeht, wohin mich meine Reise nach der Walz führt“, bilanzierte Florian Högl. Den Schülern haben der Ausflug an die Donau und die Gespräche mit dem Wandergesellen riesigen Spaß gemacht. So einen Tag – da waren sich alle einig – würden sie am liebsten in nächster Zeit wiederholen.


Die Klasse 6a mit dem Wandergesellen Florian Höck.


Die Schüler der Klasse 6a erkundeten die Wassertiefe der Donau.


Ein Burgtor aus Treibholz.


Quentin Sigl zusammen mit Florian Höck.